Von Jürgen Reinhardt
HEPPENHEIM. Besser nicht mit der Brechstange. Warnt Christoph Hupfer, wenn es um die Durchsetzung einer umweltschonenderen, nachhaltigeren Mobilität in Deutschland geht. Und sagt mit Blick auf die Bemühungen, in diesem Bereich voranzukommen: „Wir dürfen nicht nur wegnehmen, wir müssen auch etwas anbieten.“ Schränke man beispielsweise den Straßenraum für Autos ein, sollten die frei gewordenen Flächen genutzt werden, um die Attraktivität des Lebens im öffentlichen Raum zu steigern.
Es war ein Pragmatiker, der sich am Mittwochabend auf Einladung der Heppenheimer Grünen im Marstall zur „Mobilität der Zukunft“ äußerte. Professor Dr.-Ing. Christoph Hupfer lehrt seit 2001 an der Hochschule Karlsruhe, ist dort für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik zuständig. Ein Mann der Theorie wie der Praxis: Hupfer ist Bauingenieur, er hat sich intensiv mit Stadt- und Regionalplanung befasst, Thema seiner Promotion war die Verkehrssicherheit.
Dass ihm die Wandlung der Auto-fixierten deutschen Gesellschaft hin zu einer an Nachhaltigkeit orientierten Gemeinschaft am Herzen liegt, wurde in seinem Vortrag ebenso deutlich wie sein Wissen darüber, dass man ein Umdenken nicht einfach von oben herab verordnen kann, sondern in mitunter langen Prozessen und kleinen Schritten erarbeiten muss. Sein Konzept für mehr Akzeptanz in breiteren Kreisen: „Es muss den Menschen auch Spaß machen.“
Dabei hat Hupfer keinerlei Zweifel, dass die derzeitige Form der Mobilität auf Basis von fossilen Brennstoffen keine Zukunft hat: „So kommen wir nicht über die Runden.“ Er rechnete im Marstall die sehr unterschiedlichen Kosten des „Unterwegsseins“ vor: Ein „Personenkilometer“ kostet im Flugzeug 13 Cent, im Auto elf, in der Bahn vier, in Bussen drei und in Straßenbahnen zwei Cent. Legt man die Strecken zu Fuß oder mit dem Rad zurück, verkehren sich diese Kosten wegen der positiven Wirkung auf die Gesundheit ins Gegenteil: Beim Rad werden pro Kilometer 18,4 Cent „gutgeschrieben“, beim Gehen sogar 37 Cent.
Gefordert sei ein generelles Umdenken, das alle Möglichkeiten von Mobilität einbeziehe, gefordert sei ein Netzwerk, das alle diese Möglichkeiten miteinander verknüpfe. In Baden-Württemberg kann man sich das Ganze bereits anschauen: im Ende vergangenen Jahres in Betrieb genommenen „Regiomove-Port“ in Baden-Baden zum Beispiel. Hier hat der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) verschiedenste Mobilitätsangebote vereinigt, und mit einer App oder vor Ort können zahlreiche Verkehrsangebote geplant und genutzt werden.
Die Carsharing-Station und die Ladestation für E-Autos sind in Blau gehalten, die Service-Station für Fahrräder und E-Bikes in Grün. Dort können normale Fahrräder und E-Bikes gebucht werden. Zudem gibt es praktische Funktionen wie Schließfächer und eine Ladestation für E-Bikes. Eine Fahrrad-Reparaturstation rundet das Angebot ab. Im Zentrum steht der rote Info-Port. An diesem werden alle Informationen gebündelt angezeigt.
Aber auch bei der Planung neuer Baugebiete oder der Umstrukturierung alter Wohnviertel könnten Pflöcke eingeschlagen, der Autoverkehr reduziert oder in den Randbereich verdrängt werden. Wenn man, so Hupfer, gleichzeitig für ein freundlicheres Umfeld sorge. Und die Menschen mitnehme, also besser positive Emotionen wecke, statt immer wieder vergeblich an die „Vernunft“ zu appellieren. Ein Beispiel sind neue, attraktive Freizeitmöglichkeiten im Nahbereich. Hilfreich hierbei, so der Experte, seien „Realexperimente“: Warum nicht einmal eine Fahrspur auf Zeit wegnehmen und für Außenbewirtung zur Verfügung stellen?
Vorstellungen, die auch in Heppenheim umsetzbar wären? „Wir wissen, wie es funktioniert“, so Christoph Hupfer, „aber entscheiden müssen andere.“ Und die stoßen immer wieder auf einen Wust an Problemen, wenn sie ihre Pläne umsetzen wollen, wie Heppenheims Erste Stadträtin Christine Bender (SPD) deutlich machte, als es in der anschließenden kurzen Diskussion unter anderem um die Umsetzung des Radverkehrskonzeptes ging, das seit Jahren existiert, das aber nur Stück um Stück vorankommt. Kaum vorstellbar beispielsweise, eine Fahrbahn der B 460 zur „Fahrradstraße“ zu machen. Eher denkbar und im Marstall ebenfalls angesprochen: die Parkflächen auf dem Graben zumindest im Sommer für Freizeitangebote oder Außenbewirtschaftung freizugeben. Aber auch das würde vermutlich am Unwillen der Autofahrer scheitern, in die oft leer stehenden Tiefgaragen auszuweichen.
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